Dr. Paul Hoser, Historiker, Foto: privat
5.11.2020 ▪ 19 Uhr
Hermann Esser – Vom Kemptener Gymnasiasten zum Duzfreund Hitlers
Online-Vortrag von Dr. Paul Hoser
- in Kooperation mit dem Heimatverein Kempten
- aus der Veranstaltungsreihe ➜ Bewegter Donnerstag
Sie haben die Einwilligung zur Nutzung von eingebundenen externen Inhalten auf dieser Website noch nicht erteilt.
Über das Thema
In jeder der zahlreichen Hitler-Biografien taucht der Name eines gewissen Hermann Esser auf. Viel ist nicht über ihn bekannt – außer, dass er sich von frühen Tagen an in Hitlers Nähe aufhielt. Der Historiker Dr. Paul Hoser berichtet über seine Forschungen zu dieser schillernden Persönlichkeit.
Was aber wissen wir über Hermann Esser? Ab dem Alter von elf Jahren besuchte er das Gymnasium in Kempten, war als 18-Jähriger – nach kurzem Einsatz als Soldat im Ersten Weltkrieg – in der Revolution von 1918/19 aktiv, an der nur eine Woche dauernden Räterepublik beteiligt und kurz darauf beim Freikorps Schwaben, das dieser ein Ende machte. Vermutlich begegnete er Hitler schon im Sommer 1919 und war bis 1924 nach diesem der wichtigste Redner der Partei, daneben Redakteur der Parteizeitung Völkischer Beobachter. Esser betrieb übelste Propaganda gegen Juden, hatte aber zur Zeit der NS-Herrschaft keine wichtige Funktion in der NSDAP inne.
Nach Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Bayern wurde er Leiter der neugeschaffenen Staatskanzlei. Im Mai 1933 verlieh ihm die Stadt Kempten die Ehrenbürgerwürde. Im April 1934 übernahm er das Amt des bayerischen Wirtschaftsministers, das er im März 1935 verlor, weil Hitler ihn wegen seiner antizentralistisch-bayerischen Tendenzen und wegen seines skandalösen Lebenswandels nicht mehr in einem Staatsamt sehen wollte. Esser wurde Chef des Reichsfremdenverkehrsverbandes und 1939 Staatsekretär für Fremdenverkehr im Reichspropagandaministerium, wo er Goebbels nur pro forma unterstellt war.
Obwohl zeitweise bei Hitler in Ungnade gefallen, gehörte er zum engeren Kreis und war öfters bei ihm auf dem Berghof, da seine zweite Frau eine Kindheitsfreundin von Eva Braun war – und das ungeachtet der Tatsache, dass Hitler seinen alten Kumpanen für faul und unzuverlässig hielt. Zwar wurde Esser nach dem Krieg 1950 im Spruchkammerverfahren als Hauptschuldiger zu fünf Jahren Haft verurteilt, kam aber Mitte 1952 wieder frei. Er starb erst 1981.
Esser ist hauptsächlich deshalb interessant, weil er wie kaum jemand sonst Details über Hitler aus nächster Nähe wusste und darüber nach dem Krieg sehr viel berichtet hat. Dieses Quellenmaterial ist noch kaum ausgewertet.
Über Dr. Paul Hoser
Dr. Paul Hoser ist freier Historiker in München. Mitglied der Schwäbischen Forschungsgemeinschaft e. V., Augsburg und des Kuratoriums des Instituts für Bayerische Geschichte an der Universität München. Hoser publizierte zahlreiche Aufsätze und eine Reihe von Büchern zur Orts- und Regionalgeschichte in Bayern sowie zur deutschen und europäischen Geschichte. Werke: „Die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergründe der Münchner Tagespresse zwischen 1914 und 1934“ (2 Bde., Frankfurt am Main u. a. 1990), „Die spanischen Könige. 18 historische Porträts vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ (hg. mit Walther L. Bernecker und Carlos Collado Seidel, München 1997), „Die Geschichte der Stadt Memmingen. Vom Neubeginn im Königreich Bayern bis 1945“ (Stuttgart 2001), „Geschichte des Bezirks Schwaben von der Nachkriegszeit bis 2003“ (Augsburg 2016), „Politische Geschichte Starnbergs“ (2 Bde., Starnberg 2019).