Zuflucht auf Zeit.

Lageralltag in Kempten 1945 bis 1949 aus der Sicht des litauischen Fotografen Kazys Daugėla


„Morning gruel“ – Kinder bei der morgendlichen Breimahlzeit in der großen Speisehalle im Kemptener Lager, F: Kazys Daugėla, © Ruta Daugėla

Fotoausstellung

21. Januar bis 7. Mai 2023

Di–So 10–18 Uhr

Eintritt frei!

 

 

 

 


Flucht und Vertreibung sind nicht nur in den heutigen Kriegszeiten ein drängendes Thema. Mit einer Sonderausstellung und einer Publikation widmet sich das Kempten-Museum einem Thema, das in der Kemptener Geschichte bisher unerforscht geblieben ist – den sogenannten Displaced Persons: Verschleppte, ehemalige Zwangsarbeiter und Geflüchtete, die sich nach Kriegsende zum Teil über viele Jahre hier aufhielten. 

Im Sommer 1945 lebten in Kempten tausende von Ausländer:innen, die als „Displaced Persons“ (DPs) galten. Eine große Gruppe unter ihnen bildeten die etwa 2.500 Angehörigen der von Stalin annektierten baltischen Staaten: Litauer:innen, Lett:innen und Est:innen, die sich 1944/45 vor den sowjetischen Truppen auf den Weg nach Westen begeben hatten.

Die Geflüchteten wurden in Lagern untergebracht, die 1.300 Litauer:innen vor allem in der ehemaligen Schlosskaserne in der Residenz. Trotz der schwierigen äußeren Bedingungen entfalteten sie ein bemerkenswertes kulturelles Leben, organisierten Gottesdienste, Schulunterricht, Sportveranstaltungen, Konzerte und Theateraufführungen.

Der litauische Fotograf Kazys Daugėla hat den Alltag im Lager einfühlsam dokumentiert. Seine Aufnahmen sind fotografische Kunstwerke und zugleich Dokumente einer Epoche, die in markantem Kontrast steht zu unserer Gegenwart in Wohlstand und Sicherheit. 

Der Historiker und ehemalige Lehrer am Allgäu-Gymnasium, Dr. Wolfgang Petz, hat vor einigen Jahren mit den Verwandten des mittlerweile verstorbenen Fotografen Kontakt aufgenommen. Durch seine akribischen Nachforschungen ist es nun möglich, die Lebensumstände der Litauer:innen in Kempten nachzuzeichnen.

Die Fotos des litauischen Fotografen Kazys Daugėla gewinnen an aktueller Bedeutung durch den Überfall auf die Ukraine, der aufs Neue Millionen von Menschen zur Flucht vor Krieg und Diktatur veranlasst.


Im Oberen Hofgarten war ein Wachhäuschen für den Posten der Lagerpolizei und des US-Militärs vor dem Lager für Displaced Persons in der Kemptener Residenz eingerichtet. F: Kazys Daugėla, © Ruta Daugėla

Biographie Kazys Daugėla

Kazys Daugėla wurde 1912 in der litauischen Kleinstadt Radviliškis geboren.

Er studierte an der Höheren Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Wien und schloss mit einem Diplom als Kulturingenieur ab.

In diesen Jahren begann er sich mit Fotografie zu beschäftigen und erzielte nach seiner Rückkehr in die Heimat erste Erfolge auf Ausstellungen.

Während der sowjetischen (1939–41) und der deutschen Besetzung (ab 1941) Litauens arbeitete er bei Meliorationsprojekten.

Im Juli 1944 floh er, wie viele seiner Landsleute, vor den anrückenden Sowjets nach Westen. Zusammen mit seiner Familie gelangte er auf Umwegen schließlich im Frühjahr 1945 nach Kempten. Zunächst fand er Unterkunft im von den US-Amerikanern eingerichteten Lager für Displaced Persons, später in einem Privatquartier.

1949 gelang der Familie die Ausreise in die Vereinigten Staaten. Dort konnte Kazys Daugėla seine Tätigkeit als Ingenieur  nach längerer Unterbrechung wieder aufnehmen.

Seiner Heimat Litauen blieb er bis zu seinem Tod 1999 tief verbunden.


Zur Publikation


Zur Ausstellung erscheint das gleichnamige Buch „Zuflucht auf Zeit. Lageralltag in Kempten 1945 bis 1949 aus der Sicht des litauischen Fotografen Kazys Daugėla“ von Dr. Wolfgang Petz im Likias Verlag, Friedberg. Es ist im Buchhandel und im Museumsshop des Kempten-Museums für 24 € erhältlich.