Sonderführung: Zeichnungen aus dem KZ-Außenlager Kempten
"Die Durchsuchung – Organisieren verboten". Appellplatz vor der Tierzuchthalle: Ein Häftling wird von einem dafür eingeteilten Mithäftling daraufhin untersucht, ob er unerlaubterweise Nahrungsmittel bei sich trägt, die er sich irgendwo organisiert hat, oder die man ihm am Arbeitsplatz oder auf dem Weg dorthin zugesteckt hat. Zeichner: Paul Bermond
Termin: So 29.11.2025
Uhrzeit: 14 Uhr
Dauer: 60-90 Minuten
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Kosten: Erwachsene 3 €, Menschen mit Schwerbehindertenausweis sowie Jugendliche kostenfrei
Keine Anmeldung notwendig.
Im Jahr 2011 wurden in Kempten Zeichnungen aus dem KZ-Außenlager entdeckt, die erstmals die Lagerrealität bildlich darstellten und somit ein bedeutender Beitrag zur Erinnerung an die NS-Gewalt in der Stadt waren.
Die Zeichnungen stammen von Paul Bermond, einem französischen Häftling, der sie 1944/45 heimlich anfertigte. Sein Mithäftling Paul Wernet, der im Lager als Dolmetscher fungierte, hat die Zeichnungen in zwei kleinen Heften gesammelt, diese mit "Souvenirs de Captivité" betitelt und bis kurz vor seinem Tod bei sich in Sarreguemines aufbewahrt. Im Jahr 2011 gelangten sie ins Stadtarchiv Kempten und 2019 in Teilen in die Ausstellung im Kempten-Museum.
Dass Paul Bermond der Zeichner dieser bedeutenden Zeugnisse des Lageralltags ist und noch lebt, wurde erst 2023 durch Zufall bekannt. Bermond wurde 1925 in Dole im französischen Jura als jüngster von vier Brüdern in eine katholisch geprägte bürgerliche Familie hineingeboren und hat sich nach der deutschen Besatzung seines Landes schon früh als Schüler politisch engagiert. Die Verteilung von Fluglättern führte schließlich zur Inhaftierung und Deportation. Bermond erging es anschließend wie zehntausenden französischer Widerstandskämpfer, die im Sommer 1944 nach der Landung der Alliierten in der Normandie in Konzentrationslager auf deutschem Reichsgebiet verlegt wurden. Anfang August 1944 kam Paul Bermond mit über 300 anderen französischen politischen Häftlingen in das seit 1943 bestehende KZ-Außenlager Kempten, wo er bis Kriegsende verblieb. Dort arbeiteten die Häftlinge in Rüstungsbetrieben, unter anderem bei BMW.
Untergebracht waren die Franzosen in den wenige Jahre zuvor errichteten Viehauktionshallen an der Kotterner Straße gegenüber dem damaligen Kemptener Hauptbahnhof. In diese Hallen zog im April 1944 das KZ-Außenlager Kempten um. In Halle II (auch Kälberhalle genannt) konnten die Franzosen für ihre Häftlingsgruppe eine bis zu einem gewissen Grad eigenständige Lagerstruktur aufbauen, die den Zusammenhalt und das Überleben begünstigte. In dieser Halle entstanden auch die KZ-Zeichnungen, die Paul Bermond für den Mithäftling Paul Wernet über einen längeren Zeitraum hinweg anfertigte. Wernet, der aufgrund seiner Dolmetschertätigkeit eine privilegierte Stellung innehatte, stellte Bermond zum Zeichnen zwei kleine Hefte und Stifte zur Verfügung und versteckte diese jedes Mal wieder gut.
Wernet und Bermond haben beide den Krieg überlebt, sind sich aber später nie wieder begegnet.
Die Zeichnungen und ihre Geschichten, die im Zentrum dieser Sonderführung stehen, wurden erst nach langer Zeit wiederentdeckt und ergänzen maßgeblich das Bild, das wir vom Lager in Kempten haben.
2017 erwarb die Stadt Kempten zwei der Hefte mit Zeichnungen unter der Bedingung, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine Auswahl davon ist mit Erläuterungen im Kempten-Museum ausgestellt.
2020 erschien unter dem Titel „Souvenirs de captivité“ (Andenken aus der Gefangenschaft) ein Buch, in dem der Historiker Markus Naumann die Bilder analysiert und historisch einordnet.
Retour du Kommando des "patates" - Die Rückkehr des "Kartoffel-Kommandos", Zeichnung von Paul Bermond